Pressebericht – Erster „Regionalpolitischer Dialog“ der BI Kein Görzhausen IV- Stopp den Flächenverbrauch! e.V. – Mi, 17. Sept 2024: Gast Dr. Christiane Schmahl, Laubach (Fraktionsvors. B90/Grüne in der Regionalversammlung Mittelhessen)
Anwesend: 25 Personen (darunter 2 Gäste)

Am Dienstag, 17. September veranstaltete die Bürgerinitiative Kein Görzhausen IV – Stopp den Flächenverbrauch! e.V. die erste Runde ihres neuen Veranstaltungsformats „Regionalpolitischer Dialog“. Zu Gast waren die Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Regionalversammlung Mittelhessen, Frau Dr. Christiane Schmahl (Laubach) und der Stadtverordnete und Regionalversammlungsmitglied Uwe Volz (Marburg). Anlass war die anstehende Entscheidung der Regionalversammlung über die Nachmeldung der Potentialfläche für das geplante „Görzhausen IV“ in der Gemarkung Dagobertshausen durch die Stadt Marburg.  

Vor der Dialogrunde mit 25 Teilnehmern im Michelbacher Kulturcafé stellte die im vergangenen Jahr von Bürger:innen aus Michelbach, Dagobertshausen und dem Lahntal gegründeten BI einige ihrer Hauptanliegen dar. Danach würde es durch eine Verwirklichung der Standorterweiterung Görzhausen IV (Überbauung weiterer 24 ha) bei gleichzeitiger Niederlassung der mit Görzhausen kooperierenden Pharmaindustrie nahe der B 62 in Lahntal-Goßfelden zu industriellen und gewerblichen Folgeprojekten so erheblichen Ausmaßes in dieser Region kommen, dass menschliches Leben wie auch die Natur unzumutbar davon beeinträchtigt würden. Allein in Michelbach, so Jutta Richebächer, sei in den vergangenen 70 Jahren der Verlust eines Viertels der Land- bzw. Ackerflächen aufgrund von Industrie- und Wohnsiedlungen zu verzeichnen.  Landwirte, die zur Ernährung der heimischen Bevölkerung künftig verstärkt beitragen müssen, suchten dringend neues Land, während internationale Investoren durch einen ungebremsten Flächenverbrauch um Görzhausen herum immer reicher würden. Derzeit würden pro Tag im Durchschnitt 55 ha neue Flächen versiegelt im Bundesgebiet. Wie solle bei einer Fortsetzung dieser Flächenfraß-Politik das vom Bundestag erst kürzlich gesetzte Ziel bis 2050 eine Flächenkreislaufwirtschaft von „Netto-Null“ erreicht werden? Dann dürften künftig Neuversiegelungen nur genehmigt werden, wenn zum Ausgleich Entsiegelungen stattfänden oder bei neuen Bedarfen bereits versiegelte Flächen genutzt würden. Womit vor Ort ein gutes Gleichgewicht von Leben und Wohnen hier und Produktion dort erreicht würde. Ute Göbel-Lehnert präsentierte die nach Sicht vieler Dagobertshäuser unverantwortliche Zukunftslage ihres Dorfes „in der Zange“ zwischen Industrie und Gewerbe, wenn nach Umsetzung der Planung von Görzhausen IV und der geplanten Expansion der Reitsportanlage künftig 44 ha gewerblicher Landnutzung in einem Dorf von nur 360 Einwohnern 17 ha Siedlungsraum gegenüber stünden. 

Dr. Schmahl informierte zu Beginn des Dialogs über die bevorstehenden Verfahrensschritte in der Regionalversammlung. Sie betonte, dass sich ihre Fraktion in Verbindung mit Vertretern der Linken gegen den von Regionalplan zu Regionalplan stets zunehmenden neuen Flächenverbrauch gewendet habe. Damit aber hätten sie sich gegenüber einer selbstverständlichen Genehmigung neuer Versiegelungen durch eine Mehrheit in der Versammlung nicht durchsetzen können.  

Kontrovers diskutiert wurde die in der Marburger Stadtverordnetenversammlung wie in anderen hessischen Kommunen vorherrschende Maxime „wir brauchen eine durch gleich viel oder mehr Flächenverbrauch gesteigerten wirtschaftlichen Gewinn, um notwendige ökologische Maßnahmen zu finanzieren…“. Dieses von den allermeisten Anwesenden als Teufelskreis eines rückwärtsgewandten politischen Handelns abgelehnte Motto spekuliert nach ihrer Ansicht darauf, dass zwecks Klimawandelvorsorge notwendige Einschränkungen „später immer noch möglich“ seien. Jetzt aber könne man noch nach den alten Prinzipien des „immer mehr vom selben“ handeln. Vor diesem Hintergrund war die Skepsis unter den Anwesenden gegenüber Magistratsaussagen, dass die von der Stadt beantragte Fläche für Görzhausen IV sich evtl. nur als „Reserve-Fläche“, um Unternehmen mit Investitionsdrang in die Region zu locken, anzusehen sei, aber schließlich doch nicht bebaut werden müsse, groß. Nach bisherigen Erfahrungen wurde noch immer bebaut, was zuvor zur Bebauung genehmigt wurde. Dies auch dann, wenn sich die Bedingungen des Wirtschaftens (s. Klimawandel) nachhaltig verändert hätten, stellte Henner Gonnermann (BUND) fest. Beste Beispiele hierfür seien die bereits vor zwei Jahrzehnten geplante Bebauung des Hasenkopfes oder der Gewerbesiedlung am Rotenberg. 

Während des Dialogs wurden die vier Hauptanliegen der Bürgerinitiative noch einmal deutlich, die da wären: (1) “Kein Görzhausen IV“ als Ausdruck der Forderung nach definitiver Begrenzung des Flächenverbrauchs und des Schutzes der heimischen Landwirtschaft; (2) ein regionales Wasserkonzept, welches vor Ausbau von Görzhausen III die begrenzten Ressourcen berücksichtigt; (3) ein regionales, auch das Lahntal betreffendes Verkehrskonzept, welches die bereits jetzt gewachsenen Verkehrsprobleme löst; sowie (4) den Erhalt der Frischluftbahn aus Südwest kommend und durch das Michelbachtal bis ins Lahntal führend. Im Anschluss an die Runde lud die BI die beiden Gäste und alle Anwesenden zu einer Besichtigung des Potentialgeländes für GH IV an der L3092 ein.