Die Bürgerinitiative Kein Görzhausen IV – Stopp den Flächenverbrauch! e.V. nimmt die Vorschläge des Haupt- und Planungsausschusses an die Regionalversammlung Mittelhessen am 02.12.2024 zur Aufnahme der beiden Siedlungsgebiete S 313 und S 314 in Michelbach sowie des neuen Industrie- und Gewerbegebietes G 326 in der Gemarkung Dagobertshausen mit großem Bedauern und unter Protest zur Kenntnis.
Erneut und mit Nachdruck weisen wir darauf hin, dass die Politik der konzentrierten Gewerbe- und Industrieausweitung der Stadt Marburg zugunsten eines dominanten Branchenriesen gigantomanische Züge trägt und die gesamte Region wirtschaftlich, infrastrukturell und sozial einschneidend verändern wird. Sie bewegt sich trotz des weltweit wachsenden und wissenschaftlich begründeten Wissens von der Begrenztheit der natürlichen und klimatischen Ressourcen außerhalb einer Vernunft, die auf nachhaltigen Fortschritt aus ist.
Der von der Fraktion Bündnis 90 / Grüne / Linke am 14.10.24 zum VRG Industrie und Gewerbe G 326 vorgelegte und abgelehnte Verkleinerungsantrag und die von der Regionalplanungsstelle Gießen eröffnete Reduzierungsmöglichkeit von 8 ha hätten wichtige Aspekte wie beispielsweise keine Rodung der Waldflächen und Erhalt der Kompensationsfläche aufgegriffen. Beides hätte jedoch nicht ausgereicht, um das Ungleichgewicht zwischen einem kleinen Siedlungsgebiet und einer übermächtigen Freizeit- und Pharmaindustrie in Dagobertshausen abzumildern und weiteren Flächenverbrauch für Siedlungsgebiete in der Region zu verhindern.
Nach wie vor ist auch der Bedarf der Flächennachmeldung von Görzhausen IV aufgrund der offenen Fragen zur Nutzung von GH III, Leerständen und Innenverdichtung unklar und nicht belegt.
In der vorgeschlagenen Verkleinerung der beiden Siedlungsgebiete sehen wir zwar einen Schritt in die aus ökologischer wie ökonomischer Sicht gebotene Richtung. Dieser reicht aber keineswegs aus, um dem gravierenden Verlust an ertragssichernden Böden für die Landwirtschaft und der weiter fortschreitenden Erosion der mittelhessischen Kulturlandschaft in Dörfern westlich von Marburg Einhalt zu gebieten. Allein in Michelbach sind in den vergangenen 70 Jahren ein Viertel der landwirtschaftlich genutzten Flächen zu Industrie- und Siedlungsgebieten umgewidmet worden. Beide Flächen S 313 und S 314 liegen größtenteils auf Böden mit sehr hoher Grundwasser- und Klimaschutzfunktion. Außerdem werden sie landwirtschaftlich dringend benötigt. Für einzelne Landwirte würden diese Bebauungen einen Verlust der betrieblichen Fläche bis zu einem Drittel der jetzigen Größe bedeuten. Es gibt in Michelbach eine große Nachfrage nach Acker- und Grünland, da es derzeit zehn Nebenerwerbslandwirte gibt und fünf junge in der Ausbildung befindliche Landwirte.
Folgende Argumente gegen eine Bebauung des Plangebiets S 313 sind von der Regionalversammlung nicht hinreichend beachtet worden: Topographisch liegt es teilweise in einem Feuchtgebiet. Es grenzt aus westlicher Richtung unmittelbar an das Überschwemmungsgebiet im Ortskern Michelbach an, welches nach den Empfehlungen des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und auch im Sinne des Handlungskonzepts Klimaanpassung der Stadt Marburg von einer Bebauung ausgenommen sein sollte. Eine Versiegelung dieser Flächen würde zur Verstärkung der Wasserabflüsse in den unmittelbar benachbarten Ortskern im Starkregenfall führen. Weiterhin kann es in diesem Gebiet mit bewusst außerörtlich platzierten Sporteinrichtungen und Höfen mit Reitsportaktivitäten zu Interessenkonflikten kommen.
Dr. Wilhelm Richebächer – Vors. der Bürgerinitiative 2. Dezember 2024